Für unsere Schule wurde 1697 eine Matrikel begonnen, in welche fünf Rektoren 122 Jahre hindurch alle Schüleraufnahmen eingetragen haben. Sie endet 1819 mit dem Todesjahr des Direktors Albert Eichelberg. Der desolate Zustand, in dem sich die Schule nach den napoleonischen Kriegen befand, kulminierte in einem vier Jahre umfassenden Abschnitt der Schulgeschichte, während dessen sie ohne Direktor und dementsprechend auch ohne Prima, deren traditio­neller Leiter ja der Direktor war, dahinvegetierte. Die Universitätsreife konnte auf diesem Gymnasium nicht mehr erworben werden.

Zu eben dieser Zeit wurde die preußische Rheinprovinz geschaffen. Wesel wurde in sie einbezogen und somit Bestandteil des preußischen Staatsgebietes. Die Regierung nahm sich der „Gelehrtenschule und höheren Bürgerschule” tat­kräftig an, gab ihr neue Richtlinien für das, was zu lehren und zu lernen war, sorgte für ein komplettes Kollegium und half, die materiellen Grundlagen der nunmehr seit über zwei Jahrhunderten stiftischen Anstalt zu verbessern. 1823 waren die Voraussetzungen für einen geregelten Schulbetrieb geschaffen, dazu gehörte vor allem die Abschlussklasse, die Prima, und aus ihr konnten 1825 drei Schüler mit dem Zeugnis der Reife verabschiedet werden.

Mit dem Jahre 1825 beginnt das Verzeichnis unserer Abiturienten. Der Fest­schrift von 1882 verdanken wir die Zusammenstellung bis zu diesem Jahre. Sie endet mit dem 366. Abiturienten. Weitere 299 werden in der Festschrift von 1912 für die folgenden Jahre bis 1911 genannt. Eine Kladde in Folio-Format führt die Liste fort bis zu den vier Abiturienten, die im Februar 1944 ihre Prüfung abgelegt haben. Zwischendurch werden die Schüler aufgeführt, die während des Krieges entlassen wurden mit dem „Reifevermerk”, der ihnen die Hochschulreife für einen künftigen Zeitpunkt in Aussicht stellte. 1945 ist das einzige Jahr im letzten Jahrhundert, in dem unser Gymnasium keine Abiturienten entlassen hat. Die Gründe sind bekannt. Dafür entließen die Vereinigten Oberschulen Wesel a./Rh. zu einem Oster- und einem Hertbsttermin – als wäre man zu den Anfängen zurückgekehrt – insgesamt 40 Abiturientinnen und Abiturienten aus zwei „Sonderkursen zur Erlangung der Hochschulreife”, die sich von den erbärmlichen Verhältnissen der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht hatten abschrecken lassen, auf die „Schulbank”, wie immer dieses Sitzmöbel 1945 beschaffen war, zurückzukehren.

Die beiden Weltkriege führten zu weitgehenden Eingriffen in das Leben der Zivilbevölkerung, somit auch in den Schulbetrieb. 1914 wie 1939 fanden für die Abschlussklassen, die Oberprima bzw. die 8. Klasse, Abiturprüfungen nicht erst am Ende des Schuljahres, also Ostern 1915 bzw. Ostern 1940 statt, sondern bald nach dem Kriegsausbruch, und in beiden Fällen war weniger als die Hälfte des Schuljahres verstrichen. In den folgenden Jahren wurden im 1. Weltkrieg in Verbindung mit dem Notabitur, einer vereinfachten Prüfung, die Hochschulreife zuerkannt, wenn ein Schüler eingezogen oder auf Grund einer Meldung als Kriegsfreiwilliger einberufen wurde. Diese Prüfungen fanden für Gruppen oder für einzelne über das ganze Schuljahr verteilt statt.
Im 2. Weltkrieg wurde ein Schulabgang ganz ohne Prüfung, ja nicht einmal mit einem Versetzungsvermerk in die nächsthöhere Klasse geschaffen: der Reifevermerk. Das Abgangszeugnis, aus dem Grunde eines sparsammen Umgang mit Papier ein beiderseits bedrucktes bzw. beschriebenes Blatt im DIN A 5-Format, konnte zum regulären Abiturtermin durch den Vermerk ergänzt werden, dass dem Schüler die Hochschulreife zuerkannt worden sei. Diese Schulabgänger mit dem Reifevermerk sind ebenfalls in die Abiturientenliste und in die durchlaufende Numerierierung einbezogen. Sofern sie den Krieg überlebt und an unserer Schule in den Jahren 1946-1948 die Reifeprüfung abgelegt haben, erscheinen ihre Namen zweimal.

Der gemeinsame Neubeginn der beiden höheren Schulen Wesels führte zu gemeinsamen Unterricht und gemeinsamen Reifeprüfungen für Jungen und Mädchen. Sie sind hier unterschiedslos aufgeführt und gezählt, da es sich um eine Schule unter einem Direktor und mit einem Kollegium gehandelt hat. Die Jahre 1945-1953 gehören zur Geschichte sowohl des Konrad-Duden-Gymnasiums wie des Andreas-Vesalius-Gymnasiums, und mit gleichem Recht können beide Schulen die 189 Abiturientinnen und Abiturienten dieser Jahre in ihren Verzeichnissen führen.

1959 traten zum ersten Male in der Schulge­schichte – wenn man von der Zeit der „Vereinigten Oberschulen” absieht -Schüler aus zwei Oberprimen, der altsprachlichen und der neusprachlichen, zur Abiturprüfung an; 1977 taten sie es, immer noch bzw. wieder rein männlich, als „Jahrgangsstufe 13″ – die Oberstufenreform hatte drei Jahre zuvor an unserem Gymnasium Einzug gehalten. 1981 erscheinen wieder vereinzelt weibliche Vornamen, ihre Trägerinnen waren dem Latein als erster Fremdsprache zuliebe auf die alte Lateinschule gekommen. 1986 sind die Abiturientinnen keine „Exoten” am Gymnasium Wesel-Nord mehr, eine Folge der 1977 an beiden Weseler Gymnasien eingeführten Koedukation. 1987 überstieg zum ersten Mal die Zahl unserer Abiturientinnen die der Abiturienten. Für die Lehrergeneration der 60 bis 90er Jahre war Koedukation in allen Stufen bis hin zur differenzierten Oberstufe etwas Selbstverständliches und in jeder Hinsicht normal. Erst heute, im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, wird angesichts der Herausforderungen im naturwissenschaftlichen Unterricht die Frage gestellt, ob manche nicht noch erfolgreicher sein könnten, wenn Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet würden.

Horst Schroeder zur Erstellung der 2. Ausgabe der Homepage 2003